DIE FREUNDSCHAFT MIT GOTT ist ein Geheimnis zwischen Ihm und der einzelnen Seele. So viele Seelen es gibt, so viele Arten der Freundschaften mit Gott gibt es. Jede ist einzigartig, denn Gott ist der Eine. Jede Freundschaft mit Ihm ist darum eigen und unverwechselbar, und außerhalb der Wahrheit, die Er ist, kann es keine echte Freundschaft mit Ihm geben. Wenn man etwas von der Liebe Gottes zu Seinen Geschöpfen, zu den Menschen verstehen will, muss man das Wunder der Menschwerdung betrachten. Gott, der alles aus dem Nichts erschaffen hat, nimmt Knechtsgestalt an, um bei den Seinen zu sein. Er wird Mensch, um die Menschheit von der Erbsünde zu erlösen: Und weil Er weiß, dass der Mensch schwach ist und ohne Seine Gegenwart nicht sein kann, hat Er das Geheimnis Seiner wirklichen Gegenwart im Allerheiligsten Sakrament des Altares hinterlassen. Verborgen strahlt in der schlichten Gestalt der konsekrierten Hostie die Herrlichkeit und Demut Gottes auf. Hier offenbart Er Sein Antlitz und lädt die Menschen ein, zu Ihm zu kommen. Zuallererst ruft Er Seine Priester, denn sie sind es, durch die Er Sein Heilshandeln in der Welt fortsetzt. Sie sind Sein verlängerter Arm in die Zeit. In ihnen und durch sie wirkt Er wahre Wunder und sie sollen die Künder Seiner Gnade und Liebe hinein in diese Welt sein.
Schon in alter Zeit hat Gott sich das Volk Israel geschaffen, um vor der Welt zu offenbaren, dass es nur einen Gott gibt, der angebetet werden will, weil Er der Schöpfer von allem ist. Gott macht Israel zu einem königlichen und priesterlichen Volk, das zum Dienst vor Ihm und zur wahren Anbetung berufen ist. Es ist ausgezeichnet vor allen anderen Völkern und Nationen, weil es den Namen des Herrn anrufen darf. Im kultischen Zentrum, dem Jerusalemer Tempel, kulminiert dieser anbetende Dienst, und hier werden Ihm die Opfer dar- gebracht. Hier ist Gott zugegen, hier hört Er auf die Gebete seines Volkes. Von hier strahlt die Heiligkeit aus, und jeder, der sich Gott naht, kann Gnade und Vergebung finden. Und doch war dieses an- betende priesterliche Volk mit seinem priesterlichen Stamm nur ein schwaches Vorausbild des Kommenden. Gott, der im Geist und in der Wahrheit angebetet werden will, hat in der Kirche den Neuen und Ewigen Bund gestiftet und in der dauerhaften Gegenwart des Erlösers im Sakrament Seiner Liebe die Gegenwart Seiner Herrlichkeit im Tempel noch überboten. In der Taufe empfängt der Christ die Gottesfreundschaft und die Kraft, Ihn anzubeten, und in der Kirche und von ihr lernt er den Glauben und dadurch die Nähe und Größe Gottes, der sich herabgelassen hat, um bei den Seinen zu sein. Im Priestertum wird der Mensch in die Heilswirklichkeit Gottes hineingenommen, indem er die bleibende Gegenwart in der Eucharistie realisiert und somit den Herrn wahrhaft in diese Zeit holt.
In Sinu Jesu berichtet von der heilenden und befreienden Erfahrung dieser Gottesfreundschaft. Herausgerufen aus dem Alltagstrott und durch die Gnade lange vorbereitet, erfährt ein Priester und Mönch die unauslotbare Tiefe der göttlichen Liebe. Der Herr ruft ihn. Er wirbt um ihn und wünscht nichts sehnlicher als sein Einverständnis, damit Er den Abgrund seiner Seele reinigen und heiligen kann. Jesus ruft zu- erst Seine Priester, weil sie am Altar das Geheimnis schauen und das Geschaute den Menschen bringen sollen. Er ruft sie, weil sie Seine bevorzugten Freunde sein sollen, die an Seiner Seite gleich dem hl. Johannes ruhen und denen Er die Geheimnisse Seines Herzens offenbaren möchte. Dieser freundschaftliche Austausch reinigt, heiligt, stärkt und erfüllt sie, damit sie ihr Amt in rechter Weise ausüben und das Angesicht Gottes in dieser Welt zum Strahlen bringen können.
In Sinu Jesu ist aber nicht nur eine Einladung an die Priester. Viel- mehr sind die Worte, die der Herr spricht, an jeden Menschen guten Willens gerichtet. Es ist die Einladung, nicht dem Vergänglichen nachzujagen, sondern das Ewige und Unvergängliche zu suchen – eine Einladung, das Ziel zu betrachten: Gott. Gott will in das Herz des Menschen einkehren und es mit Gnaden überhäufen. Er will jeden Menschen die wahre Anbetung lehren; im vertrauten und liebenden Umgang, ohne großen Aufwand, ohne übermäßige Leistung, allein die Zeit will Er geschenkt bekommen, um die Seele zu heiligen und dem Herzen das Siegel Seiner Liebe einzuprägen. So spricht Jesus folgen- de bezeichnende Worte: »Anbetung muss ein Bedürfnis deiner Seele werden, so wie Essen und Trinken und Schlafen Bedürfnisse deines Körpers sind. Komm oft zu Mir und verweile im Licht Meines eucharistischen Angesichts, auf dass Ich dich heiligen und alles in dir bewirken kann, was Ich in dir finden möchte.« Es geht also nicht darum, was der Einzelne persönlich möchte, sondern was Gott in Seiner weisen Vorsehung festgelegt hat. Wenn sich eine Seele von Ihm formen lässt, wird sie transparent für die Ewigkeit, und sie wird zugleich glücklich, denn allein Gottes Willen zu erfüllen macht Freude. Und diese wahre Freude kann die Welt nicht schenken.
Darüber hinaus gibt der Herr Jesus Christus dem aufmerksamen Leser Seine heilige Mutter Maria an die Hand. Maria ist das vollkommenste Geschöpf und Widerhall des göttlichen Wortes. In ihr hat das ewige Wort des Vaters Fleisch angenommen, sie ist der lebendige Tabernakel. In ihr strahlt das göttliche Geheimnis auf, und sie möchte jeden Menschen an der Hand zu Jesus und durch Ihn zum himmlischen Vater führen. Maria stellt sich niemals zwischen den Menschen und Gott, sondern sie verweist auf Ihn und offenbart, indem sie den Blick durch sich hindurch auf Gott lenkt, die Größe der göttlichen Gnade und Barmherzigkeit. An der Hand Mariens wird der Mensch direkt zu Gott geführt, um im geöffneten göttlichen Herzen alle Sehnsucht gestillt zu bekommen. Die Muttergottes ist in besonderer Weise Mutter der Priester, aber sie ist zugleich die Mutter aller und liebt jeden Einzelnen mit großer Liebe.
Wenn man nun In Sinu Jesu nicht als einfaches Buch liest, sondern es zur Grundlage der Betrachtung macht, zieht es die Seele schnell hinein in das Wunder der Gegenwart Gottes. Es lässt die Würde des Priestertums neu aufstrahlen und ermahnt förmlich, für die Priester zu beten, weil durch sie jedem das Heil offensteht. Wenn man einen Priester betrachtet, schaut man zugleich auf Jesus Christus, denn aus seinem Angesicht leuchtet Er, der mir begegnen will. Die Priester sind gerufen, als Hirten voranzugehen, und darum wird es gut sein, wenn sie den Weg zum Tabernakel finden. Von dort aus empfangen sie ihre Kraft, und dorthin sollen sie die Menschen einladen, damit gemeinsam Gott angebetet wird, der der Welt das Heil geschenkt hat.
Mit der Herausgabe der deutschen Ausgabe ist es unser aufrichtiger Wunsch, dass diese Worte die Herzen entzünden und dass die darin zugrunde liegende Wahrheit des Glaubens viele zur Umkehr bewegt. Es ist eine Einladung, Gott nicht außer Acht zu lassen, sondern sich Ihm zu nahen, denn Er ist kein ferner Gott. Er ist verborgen da und sehnt sich nach jedem Menschen, dessen Innerstes Er durch und durch kennt. Möglicherweise rüttelt dieses Buch auf und erschließt neue Tiefen des Glaubens, möglicherweise vertieft es bereits Bekanntes und schon Erfahrenes. Immer aber legt es Zeugnis ab von der Liebe Gottes zu einer Seele, die verirrt war und durch Seine Gnade zurückgekehrt ist. Es legt Zeugnis davon ab, dass Heiligkeit kein Bravourstück für geistliche Meister, sondern vielmehr Berufung eines jeden einzelnen Menschen ist.