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Felix Hornstein

Die schönsten Weihnachtsgeschichten

Die schönsten Weihnachtsgeschichten

Was macht eine gute Weihnachtsgeschichte aus? Felix Hornstein zeigt anhand der schönsten Nikolaus- und Weihnachtsgeschichten, dass diese auch ohne Weihnachten erstrangige literarische Werke wären. Doch kommt in ihnen der Menschwerdung Gottes und dem Sich-Auftun der himmlischen Wirklichkeit jeweils eine besondere Bedeutung zu. An Weihnachten sind Dinge möglich, die sonst nicht möglich sind, das Fest wird zur Sternstunde für die Welt und für die Menschen …

Das Buch bietet jeweils Text und Interpretation. Fern von Kitsch und Sentimentalität hebt es verborgene Schätze und erschließt überraschende und ungewöhnliche Zugänge zur Bedeutung des christlichen Weihnachtsfestes. Advent und Weihnachten werden zur Chance, in tiefere Schichten des Lebens und des Glaubens hinabzusteigen.

Seiten: 240

Felix Hornstein

ISBN:978-3-86417-142-0-1

Seiten: 240

Normaler Preis €14,80 EUR
Normaler Preis Verkaufspreis €14,80 EUR
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Felix Hornstein

Felix Hornstein, geboren 1960, ist Gymnasiallehrer für Latein, Katholische Religionslehre und Geschichte und unterrichtet am Gymnasium Tegernsee

Leseprobe

Es gibt viele Weihnachtsgeschichten, aber nur wenige gute. Zu groß ist die Gefahr der Sentimentalität. Man transportiert die Geburt des Erlösers vom Heiligen Land nach Oberbayern oder in die Kaschubei oder nach Russland oder sonst wohin und reichert sie mit Lokalkolorit an. Man badet in der Idylle. Andere Geschichten berichten wehmutsvoll von der eigenen Kindheit und beschreiben das Weihnachtsfest mit den leuchtenden Kerzen und dem Christbaum und evozieren die Düfte nach Zimt und Vanille und Sternanis, nach Glühwein und nach Gänse- braten, die man bei uns gemeinhin mit dem Fest verbindet. Das Fest als Schlaraffenland und Kerzenflitter. Und als Zeit, in der die Familie noch einträchtig versammelt war.
Schließlich gibt es irgendwelche Begebenheiten ungewöhnlicher Art, die just am Weihnachtstag passiert sind oder irgendwelche Schwierigkeiten oder Missverständnisse mit den Geschenken, die mit dem eigentlichen Sinn des Festes aber wenig zu tun haben.
Und schließlich gibt es noch Väterchen Frost: An Weihnachten ist es gewöhnlich, jedenfalls in den meisten Geschichten, bitter kalt, der Schnee liegt meterhoch – jedenfalls tat er das in unserer Kindheit noch, weit entfernt von allem Klimawandel. Weihnachten, das heißt dann schöne Winterbilder und daneben Oasen von Wärme und Gemütlichkeit.
Manche Geschichten rationalisieren und moralisieren das Wunder der Weihnachtsnacht, zeigen etwa, wie jemand einen »Engel« findet, der ihm an diesem Tag aus der Patsche hilft, der einer armen Familie einen Fresskorb vor die Tür stellt oder eine Fuhre Holz vor dem Hof ablädt. Überhaupt findet sich Sentimentalität vor allem in Erzählungen von guten Werken just in dieser Nacht, wenn sich die Familien in ihren Häusern verbarrikadieren und beim bullernden Ofen besonders gerne Geschichten von Menschlichkeit hören. »Es ist von altersher in den Weihnachtsmärchen Brauch, alljährlich einige arme Mädchen und Knaben erfrieren zu lassen«, beginnt eine Weihnachtsgeschichte von Maxim Gorki.1
Anders die Geschichten von der Kriegsweihnacht. Das geht es um das existentielle Elend des Soldaten – Elend bedeutet ja so viel wie »im Ausland«, »fern der Heimat«. Es ist kalt, der Tod ist nahe, zu Hause feiern die Familien und man erlebt, was Weihnachten bedeutet, aus dem Abstand nur umso intensiver. Nie werden das Elend und das Getrenntsein von den Liebsten so existentiell gefühlt, ist doch Weihnachten in unseren Breiten das Fest der menschlichen Begegnung. Und gerade da kommt es oft zu menschlichen Begegnungen in unerwarteter Richtung, sogar über die Schützengräben hin- weg. Der Landser weiß ja: Der da auf der anderen Seite ist wie du selbst, ihm geht es wie dir. Diese Geschichten sind also alles andere als kitschig. Und sie handeln von menschlicher Größe und Ahnungen des Friedens »in- mitten der Nacht«.
Als freilich meist gescheiterten Versuch, der Kitsch- falle zu entkommen, betrachte ich manche moderne Weihnachtsgeschichten. Da wird Weihnachten verfremdet, es wird als Täuschung und Betrug entlarvt, als kommerzielle Veranstaltung, hinter der doch jeder nur seinen eigenen Vorteil sucht, dabei aber letztlich einsam und allein bleibt. Der weihnachtliche Trost gilt selbst als Kitsch. Hier artikuliert man ineins den Generalverdacht gegen die religiöse Hoffnung und gegen den Kapitalismus.
Ernst zu nehmen sind freilich die Darstellungen des Schicksals der Armen und der Einsamen an diesem Tag: Wie wird es ihnen da gehen, wenn alle feiern und niemand für sie Zeit hat? Aber das ist ein schwieriges Genus und ich kenne nur wenige Beispiele für gute Geschichten dieser Art. Denn der hohe Ton macht eine Geschichte noch nicht zu einem Stück guter Literatur. Meist enthalten diese Versuche zu viel Moralin: Hier finden wir die Anklage gegen die selbstzufriedenen Bürger, die, so der unausgesprochene Verdacht, auf Kosten der anderen feiern. Aber dieser Vorwurf trifft nicht immer. Denn manchmal geht es ja auch um das Teilen der Festesfreude und um das Weitergeben des Lichtes.
Ein Sonderfall ist die weihnachtliche Idylle: Sie steht meist unter Kitschverdacht, ist aber durchaus nicht in allen Fällen kitschig und kann sogar weit in die Tiefe reichen. Überhaupt verstecken sich mitunter tiefsinnige Geschichten unter Weihnachtsschmuck: Dann werden auf leichtfüßige Weise große Wahrheitet ausgesprochen.
Wenn es aber so schwierig ist, was in aller Welt zeichnet dann eine wirklich gute Weihnachtsgeschichte aus?
Die wirklich guten Geschichten sind meines Erachtens die, die auch ganz ohne Weihnachten gute Geschichten wären, in denen dem Weihnachtlichen aber eine ganz besondere Rolle zukommt. Gute Weihnachtsgeschichten berichten von einem existentiellen Ereignis oder Geschehen in der Welt der Menschen, das in Verbindung mit dem Kairos von Weihnachten eine besondere Wendung nimmt. Das ist das entscheidende Stichwort: Der Kairos, der rechte Augenblick. Weihnachtsgeschichten handeln von dem besonderen Augenblick, von der Zeit einer besonderen, spürbaren Nähe Gottes in dieser Welt, von einer Herabkunft des Friedens, der wie ein Katalysator eine wunderbare Wandlung der Menschen und der Verhältnisse bewirkt. Da geht es um ein Geschenk, das »zur rechten Zeit« gebracht wird, um die, die sich am Weihnachtstag versöhnen und zugleich ihre Familien aus einer alten Feindschaft erlösen, da geht es um den einsamen Gottsucher, der an diesem Tag der Herrlichkeit des verborgenen Gottes ansichtig wird, da geht es um einen bösen Räuber, der seine Wildheit verliert, um einen nutzlosen Menschen am Rande der Gesellschaft, der die Aufgabe seines Lebens findet, um ein böses, verhärtetes Herz, das an diesem Tag aufgebrochen und ins Leben zu- rückgebracht wird, um Geschenke, die die junge Liebe in ihrer grenzenlosen Offenheit zeigen. Oder auch um einen Baum, der zum Weihnachtsfest leuchten durfte und doch sein Glück nicht fand.
Weihnachten ist das Fest der Menschwerdung Gottes, das Fest, an dem sich zeigt, dass diese Welt mehr ist als ein einsam und sinnlos durch die Weiten des Universums schwebender Materieklumpen, da geht es um einen Frieden, der in dieser Welt und doch nicht von dieser Welt ist, um den besonderen Moment, in dem Dinge möglich sind, die sonst undenkbar erschienen, um Überfluss und Fülle und Herrlichkeit. Und immer um das Licht, das in die Finsternis kommt. Die Tragik des göttlichen Lichtes kennt jeder, der schon einmal in die Evangelien von Jesus Christus hineingeschaut hat: »Die Finsternis hat es nicht ergriffen« (Joh 1,5): Bei Weihnachten geht es da- rum, dass dieses Licht von manchen ergriffen wird, in denen sich dabei das Wunder der Menschwerdung neu vollzieht. Das Licht will ja nicht allein bleiben, es will andere erleuchten und anstecken: »Er gab ihnen Macht, Söhne Gottes zu werden«, heißt es bei Johannes weiter
(Joh 1,12).
Die wirklich wichtigen Veränderungen dieser Welt sieht man nicht. Sie ereignen sich im Verborgenen. Das gilt für die einsamen Gedanken eines großen Denkers – meist bleiben sie einsam –, es gilt für die Entstehung eines neuen Menschen im Mutterschoß, es gilt überhaupt für alles Wachstum, das unendlich langsamer abläuft als das oftmals krachende Ereignis einer Zerstörung, wie- wohl auch diese meist im Unsichtbaren vorbereitet wird: Als Haarriss im Inneren eines Rades, als Faulen im Inneren eines Baumes, als Absetzungsprozess in Freundschaft, Ehe und Gesellschaft. Weihnachtsgeschichten berichten meist von einer Ankunft des heiligen Wortes oder Kindes in der Stille, die dann zum Ereignis wird. Jede Geburt ist ein Ereignis, in dem eine längere Zeit der Hoffnung zum Ende kommt und ist doch zugleich selbst nicht mehr als Hoffnung: Das Kind ist schon da, aber es muss noch groß werden. Wer da geboren wurde, sieht man richtig erst im Nachhinein. Immer aber geht es bei Weihnachten um eine Umwendung der Verhältnisse. So punktuell das Fest auch bleibt, es enthält die Botschaft: Alles wird gut.
Ich habe im Folgenden einige besonders geglückte Weihnachtsgeschichten zusammengestellt und interpretiert. Dabei ging es mir nicht um eine literarische Untersuchung oder Kritik. Vielmehr kam es mir jeweils darauf an zu zeigen, wie viel Daseinsernst in einer unscheinbaren Weihnachtsgeschichte verborgen sein kann und wie weit sie über alle Gefühlsduselei hinausragt. Vor allem aber ging es mir um die Antworten, die diese Erzählungen auf drängende Fragen des Lebens und der Zeit bieten. Gute Literatur misst sich wie Erz am Feingehalt. Ich habe mich bemüht, den Feingehalt dieser Geschichten herauszuholen.