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Charlotte Link

Einsame Nacht

Einsame Nacht

Mitten in den einsamen North York Moors fährt eine junge Frau allein in ihrem Wagen durch eine kalte Dezembernacht. Am nächsten Morgen findet man sie ermordet auf, in ihrem Auto, das fast zugeschneit auf einem Feldweg steht. Es gibt eine Zeugin, die beobachtet hat, dass ein Mann unterwegs bei ihr einstieg.
Ihr Freund? Ein Fremder? Ihr Mörder?
Kate Linville beginnt mit ihren Ermittlungen und ist schnell auf einer Spur, die in die Vergangenheit führt, zu einem Cold Case, in dem Caleb Hale damals ermittelt hat und der nie gelöst werden konnte …

Seiten: 592

Charlotte Link

    ISBN:978-3442379200

    Seiten: 592

    Normaler Preis €13,00 EUR
    Normaler Preis Verkaufspreis €13,00 EUR
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    Charlotte Link Bücher und E-Books bei Booksender

    Charlotte Link

    Charlotte Link, geboren in Frankfurt/Main, ist die erfolgreichste deutsche Autorin der Gegenwart. Ihre Kriminalromane sind internationale Bestseller, auch »Die Suche« und zuletzt »Ohne Schuld« eroberten wieder auf Anhieb die SPIEGEL-Bestsellerliste. Allein in Deutschland wurden bislang über 33 Millionen Bücher von Charlotte Link verkauft; ihre Romane sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. Charlotte Link lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt/Main.

    Leseprobe

    Linda Goodnight

    LOVE & HOPE EDITION BAND 1

    1. KAPITEL
    Wade Trudeau würde noch den Verstand verlieren. Das, was davon noch übrig war.

    Er knallte den Telefonhörer auf die Ladestation, drückte sich die Handballen an die Augen und stöhnte.

    „Keine Neuigkeiten von der Arbeitsvermittlung?“

    Wade sah auf, als sein Cousin Bowie Trudeau, bester Freund und Geschäftspartner, ins Büro der Sundown-Ranch schlenderte.

    „Das Problem ist, dass niemand sich um drei Babys kümmern will, schon gar nicht an einem Ort, der so abgelegen ist wie die Sundown-Ranch.“

    „Wir sind nur zehn Meilen von der nächsten Stadt entfernt!“

    „Es könnten genauso gut tausend sein, so wie die Leute aus der Stadt sich aufführen.“ Keine Frau, nicht einmal ihre eigene Mutter, schien bereit zu sein, für drei kleine Kinder zu sorgen.

    „Wir haben es ganz gut hinbekommen – bis Janeys Bruder krank wurde.“

    Janey war eine gute Seele mit grauem Pferdeschwanz.

    „Ich kann Janey kaum vorwerfen, dass ihr Bruder für sie an erster Stelle steht. Dafür ist die Familie da.“ Wade verzog den Mund. Seine eigene Familie war nicht so fürsorglich. „Zumindest sollte sie dafür da sein. Und die zwei anderen Nannys hatten sich kaum eingerichtet, da haben sie schon wieder ihre Sachen gepackt.“

    „Hat sich niemand auf die Handzettel gemeldet, die du in der Stadt verteilt hast?“

    Im kleinen Bergstädtchen Sundown Valley ging es noch gemütlich zu. Wenn jemand Hilfe im Garten, beim Babysitten, der Heuernte oder was auch immer suchte, hängten die Leute einfach einen Zettel ans Schwarze Brett in Cafés und Geschäften.

    Im letzten Jahr hatten eine einfache Karte und eine Telefonnummer genügt, um einen ganzen Wurf ausgesetzter Kätzchen loszuwerden.

    Doch Babys, die von ihrer Mutter im Stich gelassen worden waren, waren anscheinend etwas anderes.

    „Keine Seele.“

    Wade hörte ein vertrautes Gebrabbel. Eines der Babys war aufgewacht. Wenn er sich nicht beeilte, würde das fünfzehn Monate alte Kind bald ein ohrenbetäubendes Kreischen von sich geben und das gesamte Trio aufwecken.

    Er stürzte zum Kinderzimmer und betrat den Raum mit den drei Betten auf Zehenspitzen, um das Baby im Pyjama hochzuheben und rasch mit ihm in den Flur zu entkommen.

    „Guten Morgen, Maus“, flüsterte er.

    Er hätte wissen müssen, dass das Geplapper von Abby gekommen war. Sie versuchte zu sprechen, seit sie auf der Welt war.

    Abby vergrub ihr Gesicht an der Stelle zwischen seinem Hals und der Schulter. Alle seine Babys passten perfekt in diese Mulde.

    Tiefe Freude erfüllte Wade. Dies war sein kleines Mädchen. Seine Tochter. Ein Geschenk Gottes. Ganz gleich, wie schwierig der Weg war, er war dankbar für seine Kinder.

    Wade atmete Abbys vom Schlaf warmen Duft ein. Ihr Haar roch noch nach dem Bademarathon vom letzten Abend. Wahrscheinlich hatte er es nicht gut genug ausgespült, aber mit einem glitschigen, zappelnden Kleinkind und zwei weiteren in den Startlöchern war jedes Bad eine echte Herausforderung.

    Er lernte immer noch dazu und musste sich noch daran gewöhnen, Mom und Dad für die Kinder zu sein. Zwei Cowboys plus drei Babys gleich Chaos.

    Er tätschelte Abbys winzigen Rücken und ging in die Küche, um sie mit einem Smoothie glücklich zu machen, während er das Frühstück vorbereitete.

    Bowie war schon wieder verschwunden, vermutlich war er draußen, um mit dem Tierarzt zu reden. Als hätten sie nicht schon genug Sorgen, lahmte jetzt auch noch Bulle Fünf.

    Kaum hatte er Abby in einen der drei Hochstühle gesetzt, klingelte es an der Tür.

    Wade schaute zum Baby, dann zur Tür, und seufzte.

    Er war klug genug, kein Baby allein in seinem Hochstuhl zu lassen, nicht einmal für eine Minute. Das hatte er auf die harte Tour gelernt.

    Rasch löste er die Sicherheitsgurte und setzte sich Abby auf die Hüfte. Das gefiel ihr gar nicht.

    Er hielt ihr den Smoothie an die Lippen und eilte zur Tür.

    Dann wünschte er, er hätte das Klingeln ignoriert.

    „Keno“, sagte er argwöhnisch.

    Ein rotgesichtiger Bud Keno drückte ihm ein Stück Papier gegen die Brust.

    „Was ist das?“

    „Eine Rechnung für die vier Kälber, die nicht von meinem Bullen stammen.“

    „Was kann ich denn dafür?“

    „Dein Bulle ist durch meinen Zaun gebrochen, und jetzt habe ich vier Kälber, die nicht in mein Zuchtprogramm passen.“

    Lahmte Bulle Fünf etwa deswegen? Hatte er mit Kenos Bullen gekämpft? „Wenn du deine Seite des Zauns instand gehalten hättest …“

    Keno reckte ihm drohend einen Finger entgegen. „Achttausend, oder ich verklage dich.“

    Während Wade versuchte, die Luft anzuhalten und sich zusammenzureißen, marschierte Keno zu seinem Truck und fuhr mit hoher Geschwindigkeit davon.

    Wade zerknüllte die Rechnung mit einer Hand.

    „Der Tag fängt ja richtig gut an.“ Er schnupperte an dem Baby. „Und jetzt stinkst du.“

    Er schaffte es, die schmutzige Windel zu wechseln, bevor die nächste Störung kam.

    Die Türklingel. Schon wieder.

    „Mein Gott“, sagte er, den Blick an die Zimmerdecke gerichtet, „wenn das schon wieder Keno ist, könnte es sein, dass ich zuerst zuschlage und anschließend um Vergebung bete.“

    Mit seiner Tochter auf der Hüfte, die mit jeder Minute ungehaltener wurde, stürmte er durchs Haus und riss die Tür auf.

    „Was ist denn jetzt noch?“, fauchte er.

    Eine junge Frau, die vor der Tür stand, machte ein erschrockenes Gesicht und wich zwei Schritte zurück. „Komme ich zu einem unpassenden Zeitpunkt?“

    Würde es jemals einen passenden Zeitpunkt geben?

    „Tut mir leid. Es ist ein stressiger Morgen.“ Als wollte sie seine Worte unterstreichen, klatschte Abby ihm die Smoothietüte an den Kopf. Er spürte, wie ihm die Flüssigkeit übers Gesicht lief, und wischte sie mit der Hand weg.

    Nichts ging über den ersten Eindruck.

    „Ich wollte zu Wade Trudeau.“

    „Der bin ich.“

    „Ich bin Kyra Mason.“ Unsicher sah sie ihn aus großen Augen an. „Sie haben ein Baby?“

    Missmutig runzelte er die Stirn. „Sie mögen keine Kinder.“

    Sie versteifte sich. „Natürlich mag ich sie. Jeder mag Kinder.“

    Seine Mundwinkel zuckten. „Sind Sie sicher?“

    Abby patschte in sein Gesicht mit den Bartstoppeln. Er hatte sich heute noch nicht rasiert. Kein Wunder, dass die Frau – Kyra Mason – ihn misstrauisch anstarrte. Wahrscheinlich sah er aus wie ein Verbrecher auf der Flucht.

    Hatte er sich heute Morgen überhaupt gekämmt?

    Wade schaute von den wachsamen haselnussbraunen Augen der Frau zur Einfahrt und zu dem kleinsten blauen Auto, das er je gesehen hatte. Wollte sie etwas verkaufen? „Was kann ich für Sie tun?“

    Sie schob ihre riesige Umhängetasche ein Stück höher und reichte ihm einen vertrauten Handzettel. Er erkannte seine eigene Handschrift.

    Oh.

    Das könnte vielversprechend sein. Vielleicht nahm sein lausiger Tag doch noch eine Wendung zum Besseren.

    Ich danke dir, Herr. Bitte lass sie die Richtige sein. Du weißt, dass ich schnell untergehe.

    Er hatte schon mindestens hundert Mal um eine Nanny gebetet. Vielleicht zeigte Gott sich endlich gnädig mit ihm. Allerdings sah Kyra Mason nicht gerade wie die sechzigjährige Großmutter aus, die er sich vorgestellt hatte.

    Wade setzte sein nettes Gesicht auf. Falls Kyra Mason wegen des Jobs als Nanny hier war, sollte er sie lieber nicht zu Tode erschrecken.

    „Sie wollen sich um die Stellung bewerben?“

    Ihr Blick wanderte zu dem Baby. „Vielleicht.“

    Wade unterdrückte ein Stöhnen. Was war heutzutage nur mit den Frauen los? Sollten sie nicht allesamt Babys anbeten und sie umsorgen? Diese Frau hatte gesagt, sie würde Kinder mögen, aber das Zaudern in ihrem Blick machte ihn stutzig.

    Er war nicht sicher, ob er noch mehr Abfuhren ertrug, vor allem, wenn es um seine Drillinge ging.

    Aber er würde sie hereinbitten und sie fragen. Er war verzweifelt.

    Er trat von der Tür zurück. „Das Büro ist der erste Raum auf der rechten Seite. Kommen Sie herein.“

    Er wartete, bis sie vorbei war und folgte ihr ins Büro der Ranch.

    Der Geruch ihres Parfüms wehte hinter ihr her, und Wade schalt sich einen Idioten, weil es ihm gefiel. Das Parfüm einer Frau war eine gefährliche Sache.

    Er schüttelte den Kopf, um sich daran zu erinnern, was die letzte Frau mit feinem Parfum ihm und ihren gemeinsamen Babys angetan hatten. Mit Abby auf dem Schoß ließ er sich hinter seinem Schreibtisch nieder.

    Kyra wählte einen der Sessel ihm gegenüber. Sie ließ ihre Umhängetasche von der Schulter auf den Boden gleiten und legte eine Aktenmappe auf ihren Schoß. Sie richtete sich kerzengerade auf und faltete die Hände über der Mappe.

    Entweder war sie nervös oder eine brave Jungfer. Ihre Haltung war perfekt, die Lippen fest, die Nase zeigte leicht nach oben. Zugegeben, ihre Nase war ganz hübsch. Genau wie der Rest ihres Gesichts. Keine Hollywoodschönheit, aber frisch und gesund wie ein Frühlingsmorgen.

    Sie trug ein geblümtes Kleid, das für ein Vorstellungsgespräch einfach perfekt war, dazu vernünftige schwarze Schuhe. Sie hatte glattes, schulterlanges rotes Haar, in dem sich die Sonnenstrahlen verfingen.

    Auf irgendeiner männlich-unbewussten Ebene hatte er ihren Glanz bereits wahrgenommen, als er sie auf der Veranda angeblafft hatte.

    Sie war hübsch, aber er war nicht auf der Suche nach Schönheit. Die hatte er gehabt. Er wollte eine Frau, die bereit war, seine Kinder zu versorgen, während er arbeitete. Punkt.

    „Erzählen Sie mir von sich, Kyra.“ Klang er nicht zu geschäftsmäßig?

    Der Rotschopf zückte einen ausgedruckten Lebenslauf und drückte ihn Wade in die ausgestreckte Hand. Ihre Finger berührten sich leicht. Nur ein sanftes Streifen der Haut, dann lehnte sie sich zurück. Seine Hände waren hart und voller Schwielen. Ihre waren weich wie die von Abby.