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Ines Vitouladitis

Nilah Taro und die Boten des Unheils

Nilah Taro und die Boten des Unheils

Das Finale der Geschichte um Nilah und Flynn!

Obwohl ich mit dem Rücken zum Fenster saß, konnte ich die Dunkelheit spüren, die sich langsam über den Wald legte. Es war eine Finsternis ohnegleichen. Eine rabenschwarze, stumme, seelenlose Finsternis. Schwärzer als schwarz. Dunkelschwarz.

Zwei Jahre sind vergangen, seitdem Nilahs Leben auseinandergerissen und wieder zusammengesetzt wurde. Das prophezeite Unheil kann sie einfach nicht vergessen. Jeder Versuch, die Visionen zu entschlüsseln, lässt sie mehr und mehr an ihrem eigenen Verstand zweifeln. Bevor Nilah nach dem rettenden Licht greifen kann, hat sich die Dunkelheit bereits in die Akademie geschlichen. Allein wird Nilah diese Bedrohung nicht besiegen können. Doch niemand sonst scheint die Gefahr zu sehen.

Seiten: 238

Ines Vitouladitis

ISBN:978-3-96964-036-4

Seiten: 238

Normaler Preis €15,00 EUR
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Ines Vitouladitis

Ines Vitouladitis, geboren 1987, entdeckte schon in frühster Kindheit ihre Liebe zum Schreiben. Als Teil der Jungautorengruppe »Die Stifthelden« lassen sich ihre kreativen Werke bereits in der Lyrikanthologie »Traumweltenbummler – Am Ufer der Gedanken« (Lerato-Verlag, 2007) und in der Prosa-Anthologie »Bis der Morgen graut« (Lerato-Verlag, 2008) finden. Die wahre Leidenschaft der Kinderpflegerin entfacht jedoch die Fantasy-Literatur. Ihr wollt mehr über Ines Vitouladitis erfahren? Dann folgt ihr auf Instagram unter @autorin_ines_vitouladitis!

Leseprobe

Der Geruch von Moos und aufgewühlter Erde lag in der Luft. Der Waldboden war taugetränkt, und das Licht der aufgehenden Sonne brach sich in tausenden und aber­tausenden feinen Tropfen, die alles ringsum benetzten.
Elviras Flügel trugen sie lautlos durch den anbrechen­den Morgen, während ihre scharfen Augen jede Bewe­gung im Umkreis unzähliger Meilen wahrnahmen. So lange schon hatte sie auf diesen Moment gewartet, und nun, endlich, schien er zum Greifen nah.
Elvira überquerte den Schattenwald, schwebte über die sieben Inseln und erreichte schließlich nach Stun­den, derer sie müde geworden war, zu zählen, nahe den Klippen von Tenebris, jene steinerne Höhle, die ihr end­lich das offenbaren würde, wonach ihr erkaltetes Herz sich einzig sehnte.
Mit einem katzenähnlichen Sprung landete sie lautlos neben der Höhle, richtete sich auf und strich mit beiden Händen ihr schwarzes Gewand glatt. Auch ihre Haare, beinahe knielang und von betörendem Glanz, waren schwarz, ebenso wie ihre Flügel, ihre Augen und – wie einige scharfe Zungen zu sagen beliebten – ihre Seele.
Erwartungsvoll ließ sie ihre Zunge über die von Durst rauen Lippen gleiten. Jede Faser ihres Körpers war zum Zerbersten gespannt, als sie endlich mit einer einzigen, lautlosen Bewegung geduckt in das Innere der Höhle glitt, um Runa Gideon das zu stehlen, womit sie selbst nicht gesegnet worden war.
Runa Gideon … beim Gedanken an sie und daran, dass diese Aussätzige den größten Schatz besaß, den Elvira sich je zu wünschen gewagt hatte, musste sie einen wütenden Aufschrei unterdrücken. Sie ballte die Hände zu Fäusten, so fest, dass sich ihre spitzen Fingernägel in die weiche Haut des Handballens bohrten, und einen Schmerz in ihr auf keimen ließen, der jedoch nicht annähernd jenen Schmerz erreichte, den ihr Innerstes verspürte.
Runa hatte einst wahre Größe besessen. Besonders war sie gewesen, mächtig, klug und wunderschön. Eine der Stärksten unter den Starken. Doch seither waren viele Jahre ins Land gegangen. Runa hatte dem Rudel Untreue angetan und war verbannt worden, lange bevor sie sich auf diese jämmerliche, fünfsinnige Kreatur ein­gelassen und einen Mischling geboren hatte. Einen Bas­tard. Aber, und das war es, was Elvira an jenem Morgen durch Nebel und Kälte, über Wälder und Seen, hin zu diesem kargen Ort getrieben hatte, einen Sohn. Sie hatte einen Sohn geboren.
Runa, bleich, noch sichtlich entkräftet von der Ge­burt und durchweg recht hager, aber dennoch schön wie eh und je, richtete sich auf, als der Schatten Elviras sich jäh über sie legte. Ihr braunes Haar fiel ihr in samtigen Wellen über ihre Schulter und über das kleine Bündel in ihrem Arm, das sie nun instinktiv fester an sich drückte. Ihr müdes, von Sommersprossen übersätes Gesicht und ihre klaren, grünen Augen waren gezeichnet von Miss­trauen, als Elvira ohne ein Wort des Grußes nähertrat, sich über sie beugte und mit langen Fingern Runas Haa­re beiseiteschob, um das Bündel ansehen zu können.
»Was willst du nach all den Jahren?«, fragte Runa mit fester Stimme und wandte sich leicht von Elvira ab, um sich zwischen sie und das Kind zu schieben.
»Oh, Runa! Dumme, kleine, ängstliche Runa.« El­vira lachte glockenhell auf und tätschelte ihr mit ei­ner herablassenden Geste den Kopf. Ihre Stimme war süßlich und zischend, und hin und wieder betonte sie ein Wort auf so merkwürdige Art und Weise, als trü­ge es eine ganz besondere Bedeutung für die gesamte Aussage. »Sei nicht immer so argwöhnisch, du dummes Mädchen. Ich komme bloß, um dir beizustehen in
dieser schweren Zeit. So etwas tun Freunde!«
»Wir sind keine Freunde, Elvira.«
Runa erhob sich und begann, mit dem inzwischen leise wimmernden Neugeborenen durch die Höhle zu wandern, auf und ab, und ab und auf, während sie ihm, in einem behutsam sanften Rhythmus, fortwäh­rend den Rücken tätschelte. Dabei gab sie sich sicht­lich Mühe, nicht allzu nahe an Elvira heranzutreten, die sich inzwischen mit vor der Brust verschränkten Armen und einem aufgesetzten Lächeln im Gesicht in der Höhle umsah.
»Geräumig ist es hier nun nicht gerade«, schnurrte Elvira. »Er wird sich nie richtig entfalten können. Nie lernen. Nie stark werden. Armer Junge.«
Runa, die den Worten Elviras nicht zu lauschen schien, sondern eher abwesend wirkte, kam am Eingang der Höhle zum Stehen, blickte in die Ferne, und für den Bruchteil eines Augenblicks schien es, als wolle sie die Flügel ausbreiten und fliehen. Doch dann seufzte sie und ließ sich im Schneidersitz nieder, um ihr Kind an die Brust zu legen. War es Resignation, die sie dazu bewegt hatte? Wusste sie, dass sie es in ihrem Zustand niemals schaffen würde, Elvira zu entkommen? Elvira war es gleich; das einzig Wichtige war, dass das Kind, der Junge, ihr Junge, endlich zum Greifen nahe war.
Als sie sich hinzuschlich und sich mit gebleckten Zähnen und begierigen Blicken nur wenige Zentimeter neben die stillende Mutter kauerte, spannte Runa ihren Kiefernknochen sichtlich an.
»Wie hast du mich gefunden?«, fragte sie tonlos.
»Oh, das war leicht. Viele der Neuen haben nützliche Gaben.« Elvira zog erneut am Tuch, in das das Neuge­borene eingewickelt war, und entblößte dessen mit ro­tem Flaum besetzten Kopf. »Ein Rothaariger. Wie unge­wöhnlich. Wie ist sein Name?«