Mittwoch, 14. Juli
15.00 Uhr
Ich erwarte heute Britta, eine Freundin aus Bonn. Eigentlich wollte sie gar nicht kommen, weil es auch heute Morgen immer noch ununterbrochen regnet. Aber sie ist dann doch gefahren. Wir haben uns wegen der Corona-Pandemie lange nicht mehr gesehen, und außerdem habe ich auch schon Chili con Carne vorbereitet. Sie trudelt gegen 15 Uhr ein. Der geplante Spaziergang an der Ahr fällt sprichwörtlich ins Wasser, und so trinken wir Kaffee und klönen.
Es regnet und regnet, es läuft in Mengen an den Fensterscheiben hinunter. Die Tasse Kaffee schmeckt im Trockenen besonders gut. Es geht uns gut. Die Abende mit Britta enden meist etwas später, aber wir planen heute aufgrund des Regens einen früheren Auf bruch, denn sie fährt nicht gerne bei Regen und im Dunkeln. Wir verabschieden uns gegen 20 Uhr.
»Besser, du nimmst die B9 anstatt ein Aquaplaning auf der A61 zu riskieren.«
Es regnet noch immer kübelweise.
Ungefähr eine Stunde später kommt ihr Anruf:
»Bin gut angekommen. Ich war aber vorher noch kurz bei meiner Mutter in Bonn-Lessenich, deswegen rufe ich dich erst jetzt an. Hoffentlich hast du dir keine Sorgen gemacht. Übrigens, es war gut, dass ich früher losgefahren bin. Es gab tatsächlich schon Wasser auf der B9, auf der linken Seite, nicht in meiner Fahrtrichtung. Die Unterführung am Probsthof war gesperrt, weil das Wasser von einem kleinen Bach schon ziemlich hochstand. Ich habe einige Bewohner vor ihren Häusern stehen sehen, die voller Sorge das steigende Wasser beobachteten. Ich kam mit dem Auto gerade noch so durch, aber auf dem Rückweg von meiner Mutter zu mir, habe ich dann eine andere Route genommen. Ich bin froh, dass ich jetzt zuhause bin.«
Ein kleiner Bach läuft aus dem Ruder, kein Wunder bei dem vielen Regen, hoffentlich hört er bald auf. Britta ist zuhause, alles gut gelaufen. Vorsichtshalber gehe ich in den Keller. Dort haben wir vor einigen Monaten Wasser hinter der Kellertür gesehen, das wohl durch den Estrich gesickert war, aber im Laufe der Tage dann wieder getrocknet ist. Heute Abend ist kein Tropfen zu sehen, alles in Ordnung. Entspannt auf dem Sofa sitzend, schaue ich in aller Ruhe den Krimi zu Ende.
Ganz kurz denke ich an das »Jahrhunderthochwasser« von 2016, bei dem Sinzig von Starkregen und Überflutungen betroffen war. Fußgängerwege und Wiesen wurden überschwemmt und viele Sandsäcke wurden gegen das langsam ansteigende Wasser verteilt. Es war nicht wirklich beängstigend, es kamen nur Wenige zu größerem Schaden. Damals hat mich diese »Wilde Tochter des Rheins«, die Ahr, fasziniert, ich habe sie neugierig von der Brücke aus bestaunt.
Während ich anschließend noch in meiner offenen Küche beschäftigt bin, berichtet Karen Miosga in den Spätnachrichten über Hochwasser in Hagen, von reißenden Strömen aus Bächen, von überfluteten Kellern und Straßen, von einer durch Wasserdruck zerstörten Fabrikmauer. Es werden Sandsäcke organisiert und einige Bewohner werden von der Feuerwehr vorsichtshalber aus den Häusern evakuiert. Das hört sich jetzt nicht wirklich gut an, aber Hagen liegt noch ein ganzes Stück entfernt von Sinzig, und ich habe auch heute nichts im Radio gehört zum Thema Überflutungen und Hochwasser in Sinzig und Umgebung.
In der Folgenachricht erfahre ich, dass die EU-Kommission in Brüssel gerade ein umfangreiches Klimaschutzprogramm vorlegt mit dem Ziel, dieses Mal bis 2030 unbedingt 55 Prozent CO² einzusparen.
Was für ein Timing! Zufall? Genau an diesem Tag, dem 14. Juli 2021, an dem angekündigt wird, dass ein heftiges Unwetter mit gewaltigem Starkregen übers Land zieht, wird in Brüssel wieder einmal mit unendlich vielen Stunden in einer der zahlreichen kostspieligen Konferenzen geredet, geredet und geredet, und es werden Richtlinien und Verordnungen verabschiedet, die die Klimakatastrophe, welche mit großen Schritten auf uns zukommt, baldmöglichst aufhalten können.
Ich erwische gerade noch einen Satz von der Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, die geradeheraus mit voller Überzeugung verkündet, dass es zum Schutz des Planeten und zur Erhaltung unseres Wohlstands dient. Na denn! Hört sich gut an! Aber, was, wenn ihr das nicht zur rechten Zeit umsetzt und es dann vielleicht nicht mehr nötig sein wird?
Der Tag heute ist gut gelaufen, Britta und ich haben gut gegessen, viel gequatscht, ich bin rundum zufrieden und jetzt reif für die Koje. Die Stadt Sinzig hält Nachtruhe. Nur bei uns noch nicht. Ich höre die Haustür unten ins Schloss fallen. Ines, meine Tochter, die seit einem Jahr im Souterrain wohnt, dreht nun mit Filou die letzte allabendliche Pipi-Runde, damit sie morgens weniger Hektik hat und länger schlafen kann. Dieses abendliche Ritual von Ines und Filou hat etwas Beruhigendes.
Während ich im Bett liege gehen mir noch viele Gedanken durch den Kopf. Heute ist der 14. Juli, Nationalfeiertag in Frankreich und die ganze Nation feiert den »Sturm auf die Bastille«. Vor langen Jahren war ich einmal dabei. Nach einem guten Essen und viel Rotwein haben wir in den Straßen getanzt bis in die frühen Morgenstunden. Ich wäre heute gerne dabei gewesen. Das sind schöne Erinnerungen für schöne Träume.
Wie jeden Abend stelle ich das Fenster auf Kipp und hole mein Buch vom Nachttisch. Kaum hatte ich die ersten Seiten gelesen, da höre ich plötzlich laute Stimmen. Es kommt offensichtlich vom Ende unserer Straße, ungefähr 50 Meter entfernt.