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Markus Theisen

Wer schneller läuft ist länger tot

Wer schneller läuft ist länger tot

Alles beginnt im Mai 1986 mit einem bizarren Leichenfund in Nettetal. Das Opfer ist ein bekannter Mayener Läufer, der offenbar während des Trainings dahingemeuchelt worden ist. In seiner Brust steckt ein Wurfspeer, wie er in der Leichtathletik verwendet wird.

Rasch nimmt Kommissar Weller, selbst leidenschaftlicher Läufer, die Untersuchungen auf. Erste Hinweise lassen ihn vermuten, dass der oder die Täter im Sportumfeld des Ermordeten zu suchen sind. Doch wer würde hier einen kaltblütigen Mord verüben? Aus welchem Motiv? Und sind gar noch andere Sportlerinnen und Sportler in Lebensgefahr?

Dramatische Ereignisse nehmen ihren Lauf …

Seiten: 354

Markus Theisen

ISBN:978-3-96123-016-7

Seiten: 354

Normaler Preis €17,00 EUR
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Markus Theisen

Markus Theisen, Jahrgang 1968, lebt mit Ehefrau und Hauskatze in Mendig am Laacher See. Er ist nicht nur Mitglied im Autorenverband SYNDIKAT e.V., sondern auch passionierter Cross- und Langstreckenläufer. Seit 2012 veröffentlicht er in regelmäßigen Abständen Eifelkrimis, zuletzt »Kreuzwege« und »Am Ende lacht nur der Tod«. »Wer schneller läuft ist länger tot« ist sein fünfter Krimi.

Leseprobe

Ebbe …
»Typisches Holland-Wetter«, murmelte der Alte vor sich hin und ließ seinen Blick in die Ferne schweifen. Eine steife Brise von Westen hatte den nächtlichen Regen längst in Richtung Festland verscheucht. Heftige Wind­böen fegten den ewig langen Sandstrand entlang und lie­ßen Nebelschwaden aus feinsten Sandkörnern wie Irrwi­sche auf dem Boden herumtollen. Immer wieder fanden Sonnenstrahlen ihre Lücken in der ziemlich durchlässi­gen weißgrauen Wolkendecke. Ihr silbriges Licht tänzelte beschwingt über die aufgewühlte Nordsee vor der Küste Zeelands. Ein Strahl mogelte sich klammheimlich wie ein leichter Nadelstich in die gleitsichtbebrillten Augen des Greises. Er blinzelte und musste mehrfach kräftig nie­sen. So sehr hatte ihn das helle Licht in der Nase gekit­zelt. Der Mann langte rasch in sämtliche Taschen seiner dunkelblauen Daunenjacke nach der Sonnenbrille. Aber Fehlanzeige. Das Teil lag höchstwahrscheinlich noch auf dem Küchentisch im Ferienhäuschen. Also genau dort, wo er es gestern Nachmittag hingelegt hatte. Stattdessen fand er auf die Schnelle nur ein paar benutzte, das hieß zusammengeknüllte Papiertaschentücher, ein geöffnetes Tütchen Pfefferminz-Bonbons und das kleine Fernglas, das er vorhin, als er aufgebrochen war, noch rasch einge­steckt hatte. Mit kalten Fingern fieselte er sich eines der gebrauchten Taschentücher auseinander und schnäuzte vorsichtig hinein.
»Gut, dass meine Frau jetzt nicht hier ist, sonst hätte sie bestimmt gemosert, ich solle demnächst neue Tücher mitnehmen. Diese alten Dinger seien ja ekelig … Wenn das die Leute sehen würden.« Und wie so oft hätte er ihr spitzbübisch zur Antwort gegeben, dass er halt für Umweltschutz wäre und nur Ressourcen schonen wol­le. Und sie das doch sicher verstehen würde. Ja, und sie hätte höchstwahrscheinlich mürrisch entgegnet: »Ach, du hast immer eine Erklärung für alles Mögliche pa­rat«, dann aber doch, wenn ein paar Sekunden verstri­chen waren, ihn wieder lieb angelächelt. Während der Achtzigjährige an seine Frau dachte, mit der er schon unendlich lange, in guten wie in schlechten Zeiten, ver­heiratet war, durchzog ein sanftes Schmunzeln dessen faltiges Gesicht. Er steckte den Zellstoff-Fetzen wieder ordnungsgemäß ein und gönnte sich ein Bonbon.
Auf einer Sandbank in der aufgewühlten See, nur wenige Hundert Meter vom Strand entfernt, faulenzte eine Schar Seehunde. Mit bloßem Auge waren die Mee­ressäuger nur als dunkle Punkte auf beigem Untergrund auszumachen. Doch mittels Fernglas sah man sogar wie manche mit weit aufgerissenem Maul und zugekniffenen Augen einen ungeniert angähnten. Ja, für Seehunde war dieser Bereich der Nordsee vor der Küste von Renesse wahrlich ein idealer Lebensraum. Sauberes Wasser. Fisch in Hülle und Fülle. Dazu die Weite und die Ruhe.
»Was will Seehund mehr?«, schmunzelte der Alte, steckte das Fernglas wieder in die Tasche, zog die Win­termütze bis knapp an die Augenbrauen heran und stapfte munter los.
Völlig alleine war man an diesem Strandabschnitt Zeelands zwischen Brouwersdam und Renesse tagsüber quasi nie. Da konnten die Wetterbedingungen noch so scheußlich sein. Doch für einen stinknormalen Vor­frühlingstag herrschte heute, warum auch immer, au­ßergewöhnlich viel Betrieb: Querbeet. Alt und Jung. Männlein wie Weiblein und Diverse … mit und ohne Hund. Angeleinte und Freilaufende. Eine Reitschule hoch zu Ross, aufgereiht wie die Perlen an einer Ket­te. Drei Damen mittleren Alters in munterem Plausch beim Nordic-Walking. Mehrere Läufer und Läuferin­nen, zumeist mit monströsen Kopfhörern auf der Rübe und Smartphones am Oberarm. Fast alle kamen sie dem Greis entgegen. War ja auch irgendwie logisch. Denn mit dem Wind ist halt einfacher als dagegen. Das hieß schlicht und ergreifend eine Teilstrecke mit Rückenwind am Meer entlang und, sofern man sich nicht irgendwo mit dem Auto abholen lassen wollte, die andere Hälfte windgeschützt hinter den Dünen, über die perfekt aus­gebauten Wander- und Radwege. Doch es gab hin und wieder auch solche, die sich bewusst gegen die Elemente auflehnten. Und der munter stapfende Greis war einer von dieser hartgesottenen Sorte. Denn obwohl schon reich an Jahren, zeigte sich der betagte Mann körperlich noch gut in Schuss. Nur zu gerne machte er sich einen Heidenspaß daraus, gegen den strammen Wind anzu­kämpfen. Er liebte es, das Salz auf der Zunge zu schme­cken, und das Gefühl, wenn ihm die klare, kühle Luft in die Lunge strömte. Ab und zu hatte er aufgewirbelte Sandkörner zwischen den Zähnen. Okay, darauf hätte er verzichten können.
Bei Ebbe, so wie es aktuell der Fall war, hinterließ die zurückgewichene Nordsee immer für die Zeit bis zur nächsten Flut einen festen, ebenen Untergrund. Der Alte nutzte die Gunst der Stunde, denn gegen den Wind gehen ist das Eine. Doch mit seinen lädierten Achilles­sehnen größere Entfernungen durch den tiefen Sand zurückzulegen, also da wo das Meerwasser auch bei Flut nicht hingelangte, das musste er sich mit seinen achtzig Lenzen dann doch nicht mehr antun. Hin und wieder stoppte er kurz und genoss die herrliche Aussicht. Er war ja schließlich nicht auf der Flucht, wie seinerzeit ein gewisser Dr. Kimble. Im Gegenteil. Er, der Kripo-Kom­missar im Ruhestand, hatte seit fast zwanzig Jahren alle Zeit der Welt. Oder anders ausgedrückt, jene unbekann­te Zeit, die ihm die Welt noch zu schenken gedachte. So genoss er jede einzelne Sekunde, als wenn es die Letzte wäre. Er schaute zurück in Richtung des Brouwersdams.